PRÄEMPTIVES ZUHÖREN

Nachdem ich das visuelle Panorama erkundet hatte, begann ich mich dafür zu interessieren, wie Tiere zuhören.

Ich weiss nicht mehr genau, wie es sich entwickelt hat, jedenfalls war es ein guter erster Schritt, aktiv und offen auf alles zu hören, was passiert – so hilflos und verletzlich wie ein neugeborenes Baby, bevor es lernt, die langweiligen Alltagsgeräusche herauszufiltern.

Der Hirsche auf der Hut.Doch schon bald wurde mir klar, dass das Hören auf alltägliche Hintergrundgeräusche für Tiere irrelevant ist.

Und so schön die Vögel oder der Fluss auch klingen mögen, ihnen zuzuhören ist eine Ablenkung, die gefährlich enden kann. Wenn wir uns auf ein bestimmtes Geräusch fokussieren, bemerken wir plötzliche Warngeräusche erst eine Sekunde, nachdem sie geschehen sind.

Geräusche sind manchmal sehr plötzlich und im Bruchteil einer Sekunde verklingen. Gerüche und Anblicke halten normalerweise mindestens ein paar Sekunden an. Das Zuhören erfordert und fördert die Unmittelbarkeit wie kein anderern Sinn.

Jenseits des Panoramas

Das panoramische Hören eine aktive, empfangende Präsenz. Aber in seiner sensibelsten Form ist es präemptiv. Es ist ein antizipatorisches Zuhören, immer bereit und wartend auf alles, eine Sekunde bevor etwas passiert.

Tiere müssen auf Dinge lauschen, die noch nicht passiert sind, aber jederzeit passieren könnten.

Mache ein bisschen Ohren-Yoga. Strecke in alle Richtungen aus und suche nach Geräuschen. In der Nähe und in der Ferne, vor allem in den ganz leisen Tönen.

Der Fuchs bewegt seine Ohren und hört zu.Raubtiere lauschen auf bestimmte Signale, wenn sie bestimmte Beutetiere jagen.

Stelle dir vor, wie der frühe Mensch in der Ferne lauschte, nach Wildschweinen oder Büffeln – oder in der Nähe nach leckere Insekten... und wenn er den Bruchteil einer Sekunde nicht mitbekam, als eine Biene vorbeischwirrte, würde er den Honig für immer verpassen.

Es kommt darauf an, wo man sich befindet und welche Art von Hintergrundgeräuschem es gibt, aber ich lausche oft auf Hunde und Kinder; nachts auf Igel und Eulen; wenn es regnet, dann knarren Dielen und knallende Autotüren. Ich höre sie nicht oft; sie zu hören ist irrelevant, auf sie zu lauschen ist der entscheidende Teil.

Das lauschen auf bestimmte Signale ist ein nützlicher Schritt, aber jede Form der selektiven Aufmerksamkeit schränkt unweigerlich die volle Rundumwahrnehmung eines verletzlichen Tieres ein.

Verletzliche Tiere müssen offen und aktiv auf Überraschungen achten, selbst wenn sie nur schwach oder weit entfernt sind. Stets bewusst auf plötzlicher Veränderungen in der alltäglichen Geräuschkulisse. Immer auf der Lauer nach dem Unerwarteten.

Sinnesgenuss vs. Geborgenheit

Ausser vielleicht, wenn sie sich sicher fühlen und dösen – Tiere verpassen der Sinnesgenuss des Vogelgesangs, aber sie überleben, indem sie bemerken, wenn sich der Vogelgesang plötzlich ändert; sie verpassen das friedliche Lauschen der Stille, aber sie überleben, indem sie bemerken, wenn die Stille bricht.

Es ist möglich, das visuelle Panorama zu erleben und dennoch vage und langsam zu denken und wollen. Für den Menschen besteht der Wert des vorausschauenden Zuhörens darin, dass es unmöglich ist, gleichzeitig zu denken oder etwas zu wollen. Jeder Schwerpunkt setzt die durchsichtige Offenheit ausser Kraft, die notwendig ist, um Sekundenbruchteile von Klängen zu hören.

Wir alle machen uns unglücklich, indem wir uns ständig fokussieren, ständig denken und wollen – auf der Suche nach dem nächsten Anlaufpunkt, dem nächsten fehlenden Teil in unserem Zufriedenheitspuzzle.

Es gibt keine bessere, direktere oder leichter zugängliche Methode als das präemptives Hinaushören, um das Denken und Wollen zu stoppen, oder zumindest die Gedanken für ein paar Sekunden zu verlangsamen, und einen Moment des wahren inneren Friedens geniessen.

Zunächst habe ich das präemptive Zuhören in Kombination mit dem Panoramasicht eingesetzt. Es kann auch unabhängig davon eingesetzt werden, hat aber nicht so unmittelbar spürbare Auswirkungen. Diese Erfahrungen werden alle in den Aufwärmübungen entwickelt. Aber noch einmal, zuerst...

Bitte fahre fort mit Zeugenbericht

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